Neuer Reinfall der "Staatsbürger-Zeitung"

Neuer Reinfall der „Staatsbürger-Zeitung“. Die „Staatsbürger-Zeitung[„] fühlt sich am wohlsten, wenn sie recht tief im Kot wühlen kann; sie pflegt in solchem Falle ihre schmutzige Beschäftigung mit dem Schleier „christlich“-moralischer Entrüstung zu umhüllen, und ist selig, wenn ihr hierzu der „rote Manasse“, wie Herr Pückler so geschmackvoll sagt, als Entrüstungs-Objekt in den Weg läuft. In ihrer Nr. 4 vom 3. Januar d. J. bringt sie einen christlichkeitstriefenden Leitartikel „Beschimpfung der christlichen Religion“, der sich mit dem im Verlage Lilienthal erschienenen Gedichtband „Confirmo te chrysmate“ von dem „jüdischen Dichter“ Dolorosa, einem „Werk, das eine gemeine, unsittliche, schamlose Beschimpfung einer christlichen Religionseinrichtung enthält“, beschäftigt. Es ist so schön, sich sittlich zu entrüsten, aber höchst peinlich, wenn man dabei vorbeihaut. Das ist nun hier der „Staatsbürger-Zeitung“ passiert, indem nämlich „der jüdische Dichter“, dem warm empfohlen wird, „doch die Synagoge und die jüdischen Einrichtungen zum Schauplatz seiner Frivolitäten zu machen,“ lt. Kürschners Literatur-Kalender eine junge Dame von 23 Jahren ist, namens Maria Eichhorn, von deren Personale Kenntnis zu nehmen der „Staatsbürger-Zeitung“ durch folgende Notizen Gelegenheit gegeben werden soll: „Maria Eichhorn ist 1879 von christlichen Eltern geboren, christlich⸗katholisch getauft und gar noch in einem katholischen Nonnenkloster erzogen worden. Unter dem Pseudonym „Dolorosa“ hat ie in den letzten Jahren in vielen hiesigen Zeitungen Beiträge veröffentlicht und hat ihre Gedichte in den verschiedensten Kabarets selbst vorgetragen.“

Thorner Ostdeutsche Zeitung, 30. Jahrg., 8. Januar 1903, Nr. 6, S. 1. Online