Hoch der Kaiser!

Hoch der Kaiser!

Von Morris Rosenfeld (New York)

(Aus dem Yiddischen für den Pester Lloyd übersetzt von Wilhelm Donath.)

In Rußland stand einst meine Wiege,
Wo man mich in den Schlaf geſungen,
Es hat im Land‘ der blut’gen Lüge
Mein Wiegenlied so bang geklungen.

Der Mutter Tränen sind geflossen,
Dann weint ich selbst auch bitt’re Zähren,
Ich ward verfolgt, verflucht, verſtoßen;
Wollt‘ niemand meine Klage hören.

Kein Frühling konnte je mir grünen,
Konnt‘ nie an Herz und Geist gesunden,
Wollt‘ auch dem Erbfeind niemals dienen,
Er war mir nie ans Herz gebunden.

In Weh gewacht, in Schreck geschlafen
Hab‘ ich in jenem Land der Klagen,
Ich floh vor des Tyrannen Strafen,
Wohin die Augen mich getragen.

Noch in der Ferne hört‘ ich wieder
Des großen Trunkenboldes Toben,
Vor dessen Knute meine Brüder
Verblutend auseinanderſtoben.

Soll Böses ewig, ewig siegen?
Muß ewig denn der Donner hallen?
Wird „Jawans“ Trotz nie unterliegen,
Und Rußland nie die Schuld bezahlen?

Mit bangem Herzen mußt‘ ich’s fragen,
Ersehnte die Vergeltung immer.
Nun hör‘ ich: Rußland wird geschlagen!
Und mich beglückt ein Freudenschimmer.

Nach jedem Hieb, der da getroffen,
Dünkt das Geschick mir hehrer, weiser.
Ich ruf‘ begeistert, stark im Hoffen:
Hurra für Deutschland! Hoch der Kaiser!

Kriegs-Echo, 25. Dezember 1914, Nr. 20, S. 15. Online