Ein Rosenfeld-Skandal in New-York

Ein Rosenfeld-Skandal in New-York

Im „American-Hebrew“, das seinerzeit die Hilfsaktion für den kranken Dichter Morris Rosenfeld eingeleitet hatte, brachte in seiner Nummer vom 31. Jänner eine Notiz, in welcher bekanntgegeben wurde, daß Morris Rosenfeld zur Freude seiner zahlreichen Freunde und Verehrer vollständig hergestellt und finanziell soweit rangiert sei, daß er auf fremde Stütze nicht mehr angewiesen zu sein braucht. Diese soeben eingelangte Nummer des „American-Hebrew“ vom 7. Februar enthält nun die folgende merkwürdige Zuschrift des Dichters: „Sehr geehrte Redaktion! Mit großer Überraschung erfahre ich, daß in Ihrer Nummer vom 31. Jänner eine vollständig unrichtige Notiz über meinen Ge­sundheitszustand und meine finanzielle Lage er­schienen ist. In dieser Notiz wird berichtet, daß ich vollständig gesund geworden sei und auch meine finanzielle Lage sich so gebessert habe, daß meine Freunde in der ganzen Welt für mich nicht mehr zu sorgen brauchten. Ich kenne den Grund nicht, weshalb Sie diese Notiz gegeben, ohne erst bei mir Erkundigungen einzuholen, ob diese verdächtige Mitteilung auch den Tatsachen entspricht. Nun erlaube ich mir, Ihnen bekannt zu geben, daß Sie vollständig falsch berichtet wurden und das gerade Gegenteil von dem wahr ist, was Ihnen mitgeteilt wurde. Was meinen Gesundheitszustand betrifft, so können Sie über ihn bei Professor Fränkel ver­läßliche Information einholen. Dieser wird Ihnen klipp und klar nachweisen, daß ich ein gebrochener Scherben bin, der an hestigen Anfällen von Kopfschwindel leidet. Es wird Ihnen auch mitteilen. Wie schwer ich unter unausgesetzter Schlaflosigkeit leide und daß ich in den letzten Monaten bei be­sonderer Diät leben mußte, welche gerade die nahr­haftesten Speisen, wie Fleisch, Fische, Eier und Milch ausschließt und daß bei dem Zustande, in dem ich mich gegenwärtig befinde, ein zweiter Schlaganfall jeden Augenblick eintreten kann. Nicht fröhlicher steht es um meine finanzielle Lage. Das ist für meine Freunde ein offenes Geheimnis. Um meine Einkünfte besser zu fruktifizieren, hat das hierzu gegründete Spezialkomitee die ganze Summe, welche die Sammlung eingebracht hat, in ein Anwesen in Jonkers hineingesteckt. Bei der jetzigen allgemeinen Krisis kann es leicht passieren, daß ich die ganze investierte Summe verliere. Meine Freunde bereuen schon das ganze, unkluge Projekt, durch welches sie mich ruiniert haben, anstatt mir zu helfen, denn das Anwesen, das sie für mich kauften, ist durch drei Hypotheken belastet, von denen zwei sofort beglichen werden müssen, so daß für mich und meine Familie nichts übrig bleibt. Das Schlimrnste ist jedoch, daß mir jede geistige Anstrengung verboten ist und daß ich gezwungen bin, ohne Rücksicht auf dieses Verbot, für ein Tagblatt wöchentlich zwei Artikel zu liefern, um meine Familie zu erhalten. Dabei setze ich jedesmal mein Leben aufs Spiel. Ich habe, wie jeder, der im öffentlichen Leben steht, sehr viel Feinde, die mir zu schaden trachten, wo sie nur können. Die Information, die Ihrer Notiz zu Grunde liegt, stammt von meinen Feinden. Hoffend, daß Sie diesen Brief behufs Beseitigung aller Mißver­ständnissefreundlichst veröffentlichen werden, zeichne ich hochachtungsvoll Ihr Morris Rosenfeld.“ Womöglich noch interessanter, als dieser Brief, ist die folgende Bemerkung des „American-Hebrew“ zu demselben. „Mr. Rosenfeld irrt, wenn er glaubt, daß wir unsere Information von seinen Feinden erhalten hätten. Tatsache ist, daß unsere Infor­mationen aus dem offiziellen Grundbuche stammen, welches beweist, das [sic!] Herr Rosenfeld, im März im Jahre 1903 in Jonkers ein Anwesen gekauft hat, welches im Januar 1906 verkauft wurde. Im März 1906 kaufte er im selben Orte ein anderes Gut, welches er im Juli 1906 wieder verkaufte. Schließlich kaufte er im März 1907 drei Häuser in der Kindenstraße von Jonkers, die er noch heute besitzt und von denen er Mitzins bezieht. Das Vermögen des Herrn Rosenfeld ist auf Grund dieses Besitzes von kompetenten Sachver­ständigen auf 15.000 Dollars geschätzt worden. Es scheint, daß seine Freunde für ihn spekuliert haben, anstatt das Geld einfach wirklich fruchtbringend anzulegen, wie er wahrscheinlich angenommen hat. Die Untersuchung die der „Amerikan-Hebrew“ an­gestellt hat, geschah ausschließlich zu dem Zwecke um festzustellen, inwieferne Mr. Rosenfeld noch der Hilfe bedarf, da wir die Absicht hatten, ihm eine hinreichende Jahresrente zu sichern, damit dem immer wieder sich wiederholenden Skandal ein Ende bereitet werde, das [sic!] ein tallentvoller [sic!] Mann gezwungen sei, auf Brod zu betteln. Das Ergebnis der Untersuchung ließ uns keinen anderen Weg übrig, als das Publikum wissen zu lassen, daß der Dichter der weiteren Hilfe nicht mehr bedürftig sei.

Jüdische Volksstimme (Brünn), 9. Jahrg., 10. März 1908, Nr. 8 S. 3. Online