Dolorosa, da sang die Fraue Troubadour (Hannoverscher Courier)

bw. Dolorosa, da sang die Fraue Troubadour. (Leipziger Verlag 1905.) Ein sonderbares Buch. Von einer Frau geschrieben, von einer, die unter uns lebt in Hannover. Begreiflich, daß sie ihren Namen nicht nennt, den auch ich verschweigen will. Dolorosa! Hat sie viel durchgemacht im Leben? Fast scheint es so. Aber sie hat immer Sehnsucht nach dem Glück empfunden, — nach zügellosem Glück, wie mich dünkt. Und sie hat es in schwüler Sinnlichkeit ausgekostet, — oder wie sie selbst sagen wird, in der kraftvollen Sinnlichkeit, die die Gesundheit bedeutet. Darüber läßt sich streiten. Die Gedichte, die uns in einem mittleren Bande vorliegen, sind sehr ungleichartig in ihrem Werte. Manches ist gekünstelt, geschraubt, — verschroben; manches auch in dec Form nicht gelungen. Daneben finden sich Gedichte voll tiefen Gefühls und in vollendeter Versform. Gerade die besten sind von einer sinnlichen Glut durchdrungen, die so stark in den Vordergrund gedrängt wird, als sei des Lebens Höchstes nur im sinnlichen Liebesgenießen zu finden. Hier streift die Verfasserin ans Krankhafte. Sie selbst singt von sich:

Meiner prunkenden, funkelnden Worte Pracht
Ist ein Edelpokal, der im Lichte glänzt,
Meiner schweren, glühenden Sehnsucht Macht
Ist Rheinwein, in purem Golde kredenzt.
Junge Mädchen und blühende Frauen
Lesen mit trunkenen Sinnen mein Lied. . . —

Na,na! Ist das nicht ein wenig zuviel behauptet? Ich weiß auch nicht, ob jungen Mädchen und blühenden Frauen das gerade zu empfehlen ist. Väter und Gatten werden Einspruch erheben.

Hannoverscher Courier, 52. Jahrg., 24. Mai 1905, Nr. 25621, S. 2. Online.