Über die Ausstellung

Ephraim Moses Lilien und Dolorosa (eigtl. Maria Eichhorn) kamen 1899 nach Berlin, Fidus (eigtl. Hugo Höppener) lebte seit 1893 dort und hatte sich seither mit Illustrationen für Zeitschriften und Bücher einen Namen gemacht.

Auf den ersten Blick könnten die religiösen und politischen Überzeugungen von Lilien, Dolorosa und Fidus gegensätzlicher nicht sein. Doch es handelt sich durchaus um vergleichbare Vorstellungen von Gesellschaft, Volk und Staat und damit auch von Kunst, um letztlich dieselben Auseinandersetzungen mit Fragen von Herkunft, Identität, Heimat, Tradition, aber auch Reformen überholter Konventionen, sowie mit Fragen des Glaubens, von Visionen und Utopien und damit der Zukunft.

Gemeinsam ist Lilien und Fidus auch die Gestaltung zahlreicher Exlibris, einer Grafikgattung, die zu ihrer Zeit äusserst beliebt war. Für den Verleger Siegbert Cohn gestalteten sogar sowohl Lilien als auch Fidus ein Buchzeichen. Und während Lilien für Stephan Zweig ein Exlibris sowie Initialen für dessen Briefpapier zeichnete, entwarf Fidus einen Briefkopf für ihn.

Beide haben zudem „ihre“ Bibeln illustriert, Lilien das Alte Testament, Fidus die Germanen-Bibel.

Schliesslich bestehen erstaunliche Gemeinsamkeiten bei der Wahl von Motiven beziehungsweise deren Komposition, auch wenn deren Aussagen letztlich sehr verschieden sind.

Lilien war der wichtigste Vertreter der Renaissance jüdischer Kunst in Deutschland und der erste zionistische Künstler. Fidus wiederum, der sich anfänglich der Theosophie verpflichtet fühlte, dann Ideale der Lebensreform propagierte, trug mit seinen völkischen Vorstellungen dazu bei, den Weg zum Nationalsozialismus zu bereiten.

Dolorosas sadomasochistische Literatur dagegen war dem Judentum, von dem die christliche Autorin sich angezogen fühlte, ebenso fremd wie der Lebensreform, die zwar die Nacktheit als Befreiung des Körpers feierte, bei der die Sexualität aber nur im Hinblick auf die Zeugung gesunder Kinder eine Rolle spielte.

Aber so verschieden die Ideen und Ideale von Lilien und Fidus auch waren, es bestehen doch Gemeinsamkeiten.

Einige sind eher zufällig. Etwa, dass Fidus nach seiner Übersiedlung nach Berlin die jüdische Lehrerin und Schriftstellerin Amalie Reich kennenlernte, mit der er eine Zeitlang in „ideal-freier Ehe“ zusammenlebte, und dass Lilien seinerseits nach seiner Niederlassung in Berlin eine Liebesbeziehung mit Dolorosa hatte.

Zufall ist auch, dass von beiden fast zur selben Zeit grosse Monografien herauskamen: 1902 erschien der grosse Bildband Fidus mit Texten des Schriftstellers Wilhelm Spohr, 1903 E. M. Lilien mit einer Einleitung des Schriftstellers Stephan Zweig.

Oder dass beide sich 1903/04 gewissermassen parallel mit grossen Glasbildern beschäftigten. Lilien für die Loge Bnai Brith in Hamburg, Fidus für den Grappenhof, dem Zentrum einer religiösen Gemeinschaft, das kurze Zeit im schweizerischen Amden am Walensee bestand.

Beide jedoch erlangten Bekanntheit bei einem grösseren Publikum durch ihre Illustrationen, die gleichsam Seite an Seite 1896 und 1897 in der Zeitschrift Jugend veröffentlicht wurden, der Zeitschrift, die dem Jugendstil ihren Namen gab. Zudem verdankten beide ihre Popularität zu einem wesentlichen Teil den zahlreichen Postkarten mit Reproduktionen ihrer Werke, die in mehreren Auflagen in Umlauf gebracht wurden und noch heute gesammelt werden.