Sabbat-Abend

Sabbat-Abend

[[E. M. Lilien]]
zum Gedenken und zum Danke

Wenn lich nun lüh der Sabbat niederfenkt,
Steht lcksu ein Herzleid auf aus feinem Grabe,
Das ich in einer Tränenflut ertränkt,
In fchwarzen Schleiern längft begraben habe.
Der Kopf finkt auf das halbbefchriebne Blatt —
Wie neid’ ich jeden, der heut Sabbat hat!
— Du weifet ja noch, wie oft wir Hand in Hand
Hm Freitagabend Hill am Tifch geleilen;
Der härm des Alltags fchwieg und war vergehen;
Zwei Kerzen haben traulichhell gebrannt.
Und vor uns, auf dem weiten Damafftuch,
Lag aufgeklappt ein altes Pfalmenbuch.
Ich könnt’ in dem vergilbten Seitenpaar
Dicht lelen, weil die Schrift hebräilch war.
Plalm hundertachtundzwanzig. Und ich fprach:
Lies du mir vor, ich lehne mich danach!

[85]

In feinen Hugen glomm ein warmer Schein,
Er nahm das Pfalmenbuch und las daraus:
„Dein Weib wird wie ein Weinftock um dein Haus,
So Dark und zart und lüh und edel fein….“
Ein Sluck Wieg in mir auf, das wuchs und fchwoll, —
Wie ward mein Herz fo reiner Andacht voll l
Wie meiner Bruft ein Subeln fich entrang,
Das „Lecho Daudi kikras Kalle“ lang!….
Oft aber Freitags, fo ums Hbendglühn,
Dann feg ich heimlich an mein Feierkleid;
Die Sehnfucht will mich nach dem Tempel ziehn,
ich folge ihr: der Tempel ift nickt weit.
Feftfrohe Illenfchen nahn auf allen Wegen,
Sefdimückfe Frau’n und Illädchen fein und Ichlank —
Und drinnen fingt der Chor den Eingangsfegen
Und jauchzt den heilighohen Braufgefang.
— Ich wage nicht, den Tönen nadizugehn,
Ich bleibe laufchend an der Pforte Hehn.
ich trat noch niemals ein. — Wohl glüht und fchlägt
Mein Herz für Israel wie keins bewegt
Und für das vielerfehnte neue Reich,
Und doch blieb ick ein Fremdling unter euch ….