6. Die Bücher der Bibel und Germanen-Bibel
Bibelillustrationen von E. M. Lilien
1907 schloss E. M. Lilien mit dem Verleger Georg Westermann in Braunschweig einen Vertrag, in welchem er sich verpflichtete, eine acht- bis zehnbändige Ausgabe der Bibel zu illustrieren, d. h. Einbandzeichnungen, Vorsätze, Titel, Bilder, Rahmen und Initialen anzufertigen. Herausgeber war der protestantische Pastor [[Ferdinand Rahlwes]], der als Grundlage die Übersetzungen des Theologen Eduard Reuss verwendete, die in den Jahren 1891 bis 1894 veröffentlicht wurden. Von dem grossangelegten Projekt erschienen schliesslich nur drei Bände: 1908 der erste Band Überlieferung und Gesetz, 1908 der sechste Band Die Liedersammlung und 1912 der siebte Band Die Lehrdichtung.
Germanenbibel
Das Sammelwerk Germanen-Bibel. Aus heiligen Schriften germanischer Völker gab Wilhelm Schwaner erstmals 1904 heraus. Ursprünglich war es auf drei Bände angelegt. 1905 erschien eine zweite, stark vermehrte Auflage mit Bildern von Hans Volkert. 1918 erschien die vierte, wiederum stark vermehrte Auflage mit Illustrationen von Hans Volkert und nun auch Fidus. 1919 gab Fidus unter dem Titel 12 Leisten aus der Germanenbibel die Illustrationen in seinem Verlag als Mappe mit Separatdrucken heraus.
Schwaner bezeichnete seine Textsammlung als Versuch, «den Deutschen in einem Buche zu zeigen, welche Schätze von ihren Propheten hinterlassen wurden». Diese sollte nichts weniger als «das gleichwertige Gegenstück der Juden- und Christenbibel» sein. Wobei Schwaner meinte: «Und spätere Geschlechter mögen dann aus Bhagavad-Gita, den Veden, Keilschriftgesetzen, der Juden-, Christen-, Germanen-, Romanen- und Sklavenbibel das schaffen, was einst alle einen und beseligen wird: die Menschheits-Bibel!»
Julius Berger über örtliche Atmosphäre bei Lilien
Ehe Lilien sich an dieses Werk gab, weilte er längere Zeit in Palästina. Die Früchte seines palästinensischen Aufenthaltes leuchten uns aus diesen Blättern entgegen. Nicht, als ob es sich darum handelte, daß „Land und Leute“ nun besonders treffend wiedergegeben seien; sondern es will uns dünken, als ob es dem Künstler darauf angekommen wäre, sich in die örtliche Atmosphäre dieses Buches, des Buches, zu versenken, mit Leib und Seele die Eigentümlichkeiten, die feinen Nuancierungen und Schwingungen des Landes und des Geistes in sich aufzunehmen, die Rahmen und Ursprung dieses Buches gewesen sind. Ist doch Palästina heute noch das Land der Bibel! In seinen Ebenen und Bachläufen, in seinen Schluchten und Berggipfeln, in seinen Höhlen und Wüsten, aber auch in seinen Beduinen und sogar in seinen Juden, den armen gehetzten Juden des Golus, die aus der Verbannung hierher „vertrieben“ worden sind, lebt ja und webt ja noch ein Hauch jener göttlichen Zeit, da Abraham seine Zelte aufstellte und da David die Saiten schlug.
Aus: „Eine neue Bibel“, in: Die Welt, 12. Jahrg., 27. November 1908, Nr. 47, S. 11.
Über die Germanen-Bibel
Dieser Gottsucher sucht offenbar auch die Wahrheit. Sein Programm berührt durchaus sympathisch. Nur hat er sich über das Judentum – er spricht freilich von Mosaismus – nicht gut beraten lassen. Es ist einem Laien gewiß manches nachzusehen. Doch ein Buch, das für die weiteste Oeffentlichkeit bestimmt ist und ein Volksbuch werden soll, muß die strengste Gerechtigkeit zu seinem obersten Gesetze erheben.
[…]
Um so angenehmer berührt es, daß doch das so viel umstrittene Gebot der Menschen- und selbst der Feindesliebe dem Judentum als ursprüngliches Eigentum zuerkannt wird (116), allerdings ein geringer Trost für so Vieles, was unbedingte Abweisung herausfordert. Immerhin ist das löbliche Streben des Verfassers über jeden Zweifel erhaben. Nur müssen wir ihm für eine etwaige neue Auflage eine gründliche Revidierung seiner Urteile über das Judentum und seine weltgeschichtliche Stellung dringend empfehlen. Nicht aus Nörgelei oder konfessioneller Befangenheit, sondern aus Liebe zu der Sache, die er vertreten will.
Aus: Dr. Bloch’s Oesterreichische Wochenschrift, 25. Jahrg., 6. November 1908, Nr. 45, S. 793.